Freitag, 24. Juni 2011

In einer grauen Welt ohne Extreme.

Ist er das, was ich vermisse
wenn ich mit geschlossenen Augen
durch den Park schlendere.

Ist er das, was ich versuche
mir vorzustellen, wenn ich sacht
mit Fingerspitzen über meine Nase fahre.

Ist er das, was mich am Leben hält
in der Erinnerung und Hoffnung ihn jemals
wieder zu spüren.

Ist er das, wonach wir alle streben.
Wie die Motten ins Licht.
Die Flügel verbrannt.
Und doch halten wir uns an unseren
Illusionen fest.

Was hält uns also am Leben?
Der Sonnenschein oder seine Illusion?

Freitag, 22. April 2011

Bring mich nach Hause...

Es ist tiefste Nacht und doch taghell.
Das gleißende, silbrige Licht des Vollmonds trifft auf Grund und Boden. Alles ist glasklar. Die Konturen sind schärfer als am Tage, aber ich schenke ihnen kaum Beachtung. Ich glaube, ich friere. Ich glaube, ich bin müde und hungrig. Doch in fühle es nicht. Ich stehe auf einem schmalen Weg, umsäumt von Natur, hinter mir die urbane Welt.
Ich warte auf etwas ohne zu wissen, dass ich warte.

Es ist wie ein Ton aus purem Kristall. So hell und rein. Ein Ton, den man nur spürt, nicht hört. Mein Blick gleitet aus dem Nichts in den Himmel. Er ist fast eine ebene, weiß-schwarze Decke aus Wolken-Flies. Nur an ein paar Stellen hängen dem Himmel die Wolken in Fetzen vom Leib. Dort, wo die Nacht wirklich schwarz ist, sieht man außer dem Mond auch noch Sterne.
Während ich den Gürtel des Orion fixiere, gleitet etwas in meinen Blick. Ich schließe die Augen und weiß was es ist. Endlich.

Als ich meine Lider wieder öffne, höre ich das sanfte Geräusch eines Aufpralls aus Nichts. Ich stehe bis zu den Knien im Schnee. Jetzt spüre ich nicht mal mehr mich selbst. Langsam, quälend langsam versinke ich in weißen Decken, die sich an mich schmiegen.
Ein Ende ist in Sicht. Kein Warten mehr darauf. Es ist da.

Doch wenn du mich noch hörst bevor ich mich in Wasser und Luft aufgelöst und verloren habe.... wenn du mich hörst:

Bring mich nach Hause.

Samstag, 4. September 2010

Warten

Ich warte

Auf Wohl oder Wehe
Ich warte

Dass ein Wort mich erreicht oder Dein Atem mich streift
Ich warte

Nichts könnt' schlimmer sein als weder 'Ja' noch 'Nein'
Und doch fürchte ich ebenfalls das 'Nein', gar 'Jein'
Ich warte

Wenn meine Geduld in Resignation splittert
Brauch ich Freundschaft, die meinen Geist füttert
Mit Halt und Glück und Lachen

Doch spüre ich untem Freundschaftsorchester
eine Saite dunkel schwingen, ihre Resonanz in meinem Herz
Und ich komm nicht umhin ans Warten zu denken
Nicht umsonst reimt sich "Herz" auf "Schmerz"

Und doch tu ich's gern, hier zu sitzen und schwelgen
zu bangen und hoffen, zu grämen und schelten
Denn vertane Zeit fühl sich anders an

Also warte ich.

Montag, 12. Oktober 2009

Sie

Man weiß die Ernte im Herbst mehr zu schätzen, wenn es im Frühjahr Momente gegeben hat, wo man der Überzeugung war, dass der Sommer keine Früchte tragen wird und man um die Zeit im nächsten Winter bangen muss.


Man erzählte sich viel von ihrer Schönheit, wie es in Sagen immer ist. Viele Hymnen auf ihr Haar, ihre Haut, ihren Gang, ihre Gestalt doch was alle Lyrik und Gerüchte in Prosa gemein hatten war die Erwähnung ihrer Augen. Fast schon nur eine scheue Randnotiz und doch spürte man die Ehrfurcht vor ihnen. 

Manche Menschen sind anfällig für Gerüchte, manche geben gar nichts drauf und manche schenken ihnen Gehör, aber lassen sich dann doch gern noch einmal selbst überzeugen. Wie ich.

Doch als ich sie das erste Mal sah wusste ich, dass diesmal alles was man sagte und hörte die reine Wahrheit war. Es war das Bankett der schwarzen Gilde, welches nur alle Schaltjahre in der Vollmondnacht im Herbstmonat um die Tages- und Nachtgleiche herum, stattfand.

Niemandem, außer den Mitgliedern der schwarzen Gilde und deren Nächsten, war es gestattet auf diesem Fest die Farbe aller Farben zu tragen. Umso mehr wunderte ich mich sie in einem nachtschwarzen Kleid zu sehen, welches trotzdem zu glänzen schien, ebenfalls wie ihre Haut und ihr Haar, sobald das fast taghelle Licht des Vollmondes auf sie traf. Da das Fest im Amphitheater der Gilde abgehalten wurde hatte jener Mond kein Hindernis sie wieder und wieder in der Menschenmenge zu finden. Die Karaffe mit frischem Wein der letzten Ernte wäre mir beinahe aus den Händen geglitten als mich ihr Blick traf, während sie eigentlich mit Bekannten, die sie scheinbar selten sah, vermutlich wirklich nur auf jenen Festen alle vier Jahre, in ein Gespräch vertieft war. Es war mir als glitte etwas um meine Kehle und zöge sich langsam zu. Dieses Lächeln dabei. Ich weiß noch wie ich dachte "So sieht gezähmtes Feuer aus". Feuer, welches dicht neugierig und tollkühn macht. Feuer, mit welchem du dich auf ein Spiel einlässt und doch weißt du wirst du verbrennen, sofern es dich nicht gleich mit Haut und Haaren verschlingt und nur Knochen und Asche übrig lässt. Doch vermutlich wäre mir selbst das egal gewesen.

Ein Klatscher auf den Hinterkopf ließ mich einen Ausfallschritt nach vorn machen und löste die Bande. Ich wusste von wem er kam und trollte mich den Gästen Wein zu schenken. Trotzdem spürte ich noch den Blick der Ältesten im Rücken, während ich versuchte mich emsig zu beschäftigen.

Jeder vom Personal der Gefolgschaft hatte seinen kleinen Bezirk im Amphitheater  um den er sich kümmern musste, damit nicht alle Bediensteten wild wie aufgescheuchte Hühner durcheinander rannten. Und so seufzte ich, als ich sie in meinem sah. Ich konnte sie nicht einfach ignorieren und gleichzeitig wusste ich, ich würde keinen Ton rausbringen um sie zu fragen. Mehrmals versuchte ich einen Freund von mir zu überreden es zu übernehmen, aber er lachte nur und schüttelte den Kopf. Zum Teil aus Ablehnung meiner Bitte, zum andern Teil aus Unverständnis meiner Bitte gegenüber. Mit gesenktem Kopf lief ich durch die Menge, die immer Dichter wurde, hörte die Musik, die erklang weit entfernt, aber dafür mein Herz sehr laut. Ich schluckte trocken als ich auf das Grüppchen zuging in welcher sie gerade stand und sich prächtig unterhielt. Als ich sie lachen hörte und vor allem sah kribbelte es mir vom Scheitel bis zur Sohle. Man sah, dass ihr Herz lachte,  nicht nur ihre Lippen. Ich öffnete gerade meinen Mund und sie sah mich an und lächelte ehrlich, als meine rechte Schulter nach vorne gestoßen wurde, wieder machte ich einen Ausfallschritt um nicht zu stolpern. Ich sah noch ihren besorgten Blick und fühlte mich weniger beschämt denn aufgehoben. Meine Karaffe glitt mir aus meinem Griff, doch nicht, weil ich sie fallen ließ, sondern weil mir sie jemand aus den Händen zog. Er war groß, breitschultrig, sah eigentlich gut aus, aber hatte etwas gefährliches an sich. Etwas, was einen sich nicht über seinen Weg trauen ließ. Sein breites Lächeln verriet zwei Dinge. Hohes, sogar zu hohes Selbstvertrauen, fast schon Selbstverliebtheit und dass er bereits den einen oder andern Wein genießen durfte. Ihr Blick glitt von mir als sie sah, dass es mir gut ging und heftete sich voller Abneigung auf ihn. Doch es war keine ängstliches Zurückweichen in ihrem Blick. Im Gegenteil, sie zog eine Augenbraue hoch und fast sah es so aus, als ob sie schmunzeln würde. Ich kannte den Rüpel nicht, aber die restliche Gesellschaft um mich herum wich raunend einen Schritt zurück, nur sie blieb stehen.

"Wie schön, dass du es doch geschafft hast, Herzchen. Ich hab dich so lang nicht gesehen, mir kommt es ja wie eine Ewigkeit vor" säuselte der Kerl überschwänglich und trat näher an sie heran. "Darf ich dir deinen Kelch wieder füllen?" sagte er und ich sah ein anzügliches Lächeln, dass mir fast übel wurde. Er hob die freie Hand und fuhr ihr über ihre Wange. Sie drehte ihren Kopf leicht beiseite, ohne seinen Blick loszulassen. Ich hatte das Gefühl es knistern zu hören. Ein knistern eines Schwelbrandes. Gleichzeitig wurde die Farbe ihrer Augen heller. Er nahm seine Hand zurück als hätte er sich an ihrer Haut verbrannt. "Wohl immer noch so feurig wie früher, hm?". 

"Nimm die Karaffe, Ignatius, nimm sie. Ich denke keiner wäre traurig um den Liter Wein, selbst wenn es der beste wäre, wenn du ihn alleine leerst und dann selig einschläfst, damit der Rest in Ruhe das Bankett genießen kann." sie lächelte zuckersüß und blinzelte zwei, drei Mal.

Mit dieser Reaktion hatte er wohl nicht gerechnet und man sah wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich, vor Wut. Durch den schnellen Schritt nach vorn, das abrupte stehen bleiben, schwappte fast die Karaffe über. Seine Hand schnellte vor und ergriff ihren Hals, den nur ein schlichter, schmal geschmiedeter Eisenring schmückte. Eine Ader trat an seinem Hals etwas hervor als er ihr ins Gesicht sagte "Du hast wohl vergessen, wen du vor dir hast. Du würdest gut daran tun dich gebührlich zu verhalten." Seine Augen zuckten von rechts nach links und fixierten die Ihren.

Sie hielt dem Blick stand, versteifte sich etwas in ihrer Haltung, aber blieb sonst regungslos. Als ich es wieder knistern hörte sah ich zu Boden, wo dieser unter ihren Schuhen rot glühte. "Aber wie...?" fragte ich mich und sah sie wieder an, gleichzeitig fragte ich mit langsam wachsender Panik wieso niemand auch nur etwas sagte, eingriff oder ihr half? 

"Lass los und verschwinde" sagte sie leise. Quittiert wurde dieser Appell mit einem Lachen von ihm. Darauf hin nickte sie soweit wie es der harte Griff um ihren Hals zuließ und ich hatte den Eindruck, dass es in ihren Augen zu lodern begann. Mit einem plötzlichen Schrei ließ er ihren Hals los und wedelte die Hand in der Luft. Der Ring um ihren Hals glühte ebenfalls, doch versenkte er nicht ihr Fleisch, sondern nur seines. Ihr nachtschwarzes Kleid sah aus als ob kleine Funken aus ihm stoben und so taumelte er etwas zurück. "Was..." murmelte er unfertig vor sich hin, während er sie mit großen Augen ansah. Ihr Blick rückte fast unmerklich von ihm ab und ich sah das Feuer darin erlöschen. An dessen Stelle erwachte ein Funkeln, welches ich an diesem Abend noch nicht gesehen hatte. Ich blickte mich um, der Boden hatte aufgehört zu glühen, ebenfalls wie der Reif. In den Augen aller Umstehender war das gleiche zu lesen: Respekt, Ehrfurcht und Bewunderung. Nie würde diese Frau sich jemandem beugen. Nie... dachte ich noch bei mir blieb dann mit meinen Augen an einem Gast hängen, den ich vorher noch  nicht gesehen hatte. Er war ebenfalls kein mir bekanntes Mitglied der Gilde und trug doch deren auserwählte Farbe, die seine Gestalt abrunden zu schien. In seinen Augen las ich keine Ehrfurcht, ich las Belustigung und herzliche Freunde und noch viel mehr dahinter, was einen Strudel aus Gefühlen bildete, der mich schwindeln ließ. Er trat einige Schritte durch die Menge, die ihn bereitwillig vorbei ließ. Während der Kerl noch seine Hand rieb, auf der eine deutliche Brandblase zu sehen war legte der Fremde ihm eine Hand auf die Schulter und sagte leise "Ignastius, wie schön dich zu sehen. Es ist wie lange her, dass ich dein Gesicht in den Schlamm drückte bevor du winselnd wie ein räudiger Hund davon ranntest? Zwei oder drei Bankette?"

Die Augen des ersten Mannes weiteten sich als hätte er die Stimme eines Geistes gehört. Er antwortete ohne den Kopf zu drehen. "Es waren drei. Ich dachte du seist verhindert heute. Ich dachte du seist noch in der Schlacht von Evon."

"Denken heißt nicht wissen, mein lieber Freund und jetzt würde ich vorschlagen du trollst dich."

Nickend und fast schon mit eingezogenem Schwanz verzog er sich. Sie hatte derweil einen zweiten Fremden mit einem herzlichen Lächeln umarmt. Sie nickte ebenfalls, vermutlich weil er sie fragte, ob es ihr gut ginge.

Dann wand sie sich dem Fremden in Schwarz zu. Die edlen Züge in ihrem Gesicht nahmen eine solch milde Form an, dass ich ganz verwirrt zusah. Nicht nur ihr, alle umstehenden, außer die, die zu weit weg waren und von dem Zwischenfalls noch nichts mitbekommen hatte, sahen dem Wiedersehen zu. Doch die beiden in ihrer Mitte schien das nicht zu interessieren. Sie raffte ihren Rock an den Seiten wenige Zentimeter nach oben und trat mit einem Fuß ein Stück zurück um eine kleine Verbeugung zu vollführen, was mich gänzlich verwirrte. Ich sah das Lächeln in seinem Gesicht, ich sah wie er genoss sie so zu sehen, als wäre es nicht immer so gewesen, er aber dieses Bild dadurch mehr und mehr genießen könnte.

Ich erinnerte mich an einen kleinen Teil der Gerüchte über sie. Einen Teil, der sie nicht nur ihr gutes Wesen besang, sondern ihre Jugend beleuchtete, in jener sie zwar dieselben Züge besaß nur ungezähmt und wild. Ich erinnerte mich auch weiter, dass man sagte, jedem der diesen Schandliedern über sie frönte würde früher oder später etwas zustoßen. Jetzt, wo ich ihn so sah, konnte ich mir vorstellen, dass daran etwas Wahres war. Er würde sie nicht in Watte hüllen, doch nie würde erlauben, dass man ihren Ruf beschmutzte.

Dann hob er eine Hand und ließ sie auf ihrem Haar nieder, fuhr daran an ihrer Wange entlang und hielt sie am Kinn fest, hob ihren Kopf, sodass sie zu ihm aufsah, machte einen Schritt vor und küsste sie. Diesmal hörte man kein Knistern und sah auch keine Funken und doch spürte man plötzlich eine warme Druckwelle konzentrisch durch die ganze Menge schwingen solang der Kuss dauerte und verebbte langsam als er sich von ihr löste. Der Stolz in ihren Augen war noch da. Ebenso die Wärme und Unnahbarkeit. Und doch funkelte plötzlich etwas in ihnen, was vorher nicht da gewesen ist, zumindest nicht für jeden erkennbar.

Viele Jahre später sollte ich durch ein Zitat erfahren was es war:

"Unterwerfung ist ein Geschenk, geboren aus der Stärke, genährt durch Vertrauen und Liebe, erhalten durch Respekt und Achtung. "

Sonntag, 30. August 2009

Ich sah es, und es sah mich
Ich wollte schreien, doch konnte nicht
Zu sehr hätte es mich selbst geschmerzt
Ein Loch klafft nun dort, wo einst war mein Herz.










Zwei

Wie können nur zwei

So gegensätzliche Welten

In mir toben, kämpfen und lärmen?


Die zerbrechliche Seite will

In Watte gepackt und geliebt werden

Mit Wärme umhüllt und deinem 

Herzschlag lauschend


Die starke Seite will

Dir ausgesetzt sein mit all

Ihrem arroganten und sicheren Gehabe

Bis der Löwe in mir, zahmes Kätzchen wird


Wie bin ich nur verloren

In dieser äußeren Welt.

Denn der einzige der alle,

Will sagen äußere Welt und all die

anderen, die in meiner Seele

wohnen, vereinen kann,

Bist Du.

Feuervogel


Träge sitzt du auf der Stange,

bei deinem Blick wird mir Angst und Bange,

verheißt er doch nichts Gutes.


Wie ein Schatten deiner selbst,

mit dem Holz, an dem du dich hältst

zwischen deinen kargen Krallen.


Die Federn stumpf, die Augen matt

die Glieder schwach, die Haut wie ein Blatt

Papier, kannst du kaum noch atmen.


Mein Herz zerreißt bei deinem Anblick

in tausend Teile und ich schick

Stoßgebete in den Himmel, hoffentlich werden sie erhört.


Dann hör' ich einen Schrei, seh das Feuer,

das dich umgibt und weiß es wird mich teuer

zustehen kommen, bliebe ich hier stehn.


Ich trete schnell einen Schritt zurück

die Flammen verschlingen dich mit einem Ruck

und lass nichts als Asche.


Gerade rinnt mir eine Träne

über meine Wange, als ich sehe

wie sich etwas regt.


Und mit einem lauten Knistern

das nicht anders beginnt als ein Flüstern

steigst du vor mir auf.


Die Federn leuchten in wunderschönem Rot

dein Blick ist lodernd, und nicht mal der Tod

schafft es dich mir zu nehmen.


Egal wie oft du verglühst,

wirst du nachher schöner blüh'n

du... der Phönix aus der Asche.


Hüter meiner Seele

"ist hier jemand? .... Hallo?? ... bin ich allein??"


Die Worte, die die Leere um mich herum zurück wirft erschrecken mich, ich zucke zusammen und fröstele. Ich schlinge Arme um mich herum und spüre wie kalt meine Haut sich anfühlt. Doch das ist nicht zu vergleichen wie es sich in mir anfühlt.

Ich halte meine Augen weit offen, versuche mich an die Dunkelheit zu gewöhnen und sehe doch nichts. Kein Licht, kein Schimmern, kein Schein. Ich bin meinem Innersten allein.

Ich tapste ein paar unbeholfene Schritte nach vorn. Die Hände halte ich schützend nach vorne, falls sich eine Wand auftut. Ein plötzliches Klirren lässt mich zusammenzucken, fast stolpere ich wieder einen Schritt zurück. Meine nackten Füße sind gegen etwas gestoßen. Ich beuge mich hinunter und taste danach.

Unter einem Schluchzen erzittert mein ganzer Körper, es ist meiner... ich fühle scharfe Kannten, die mal etwas sehr geschmeidiges waren, nein, nicht waren... aber es sollte zu etwas wunderschönem werden. Etwas perfektem. 

Ich sehe nichts und kann es kaum ertasten mit den Fingern, die über es drüber gleiten, aber ich weiß was es ist. Da liegt sie vor mir. Meine Seele. Komplett, und doch nicht fertig. Ich weiß, wenn ich sie jetzt versuche selbst zusammen zu setzen, werde ich mir weh tun, die scharfen Kanten werden sich in mein Fleisch schneiden und im Endeffekt, würde ich das Gebilde nur besudeln und nach kurzer Zeit aufgeben ohne geringsten Erfolg gehabt zu haben.

Ich erhebe mich wieder. Ich weiß, er muss hier irgendwo sein. "Wo ist er?" Ich gehe ein paar Schritte und merke dass mein Weg mit kristallenen Teilen meiner Seele gepflastert ist. Die muss er verloren haben. "Ist er geflüchtet? Wenn ja... wieso?"

Mein Herz beginn schneller zu schlagen. Meine Schritte beschleunigen sich. Ich höre das Blut in meinem Kopf rauschen und mache mich auf dem Weg zu ihm. Die Kristalle unter meinen baren Füßen verletzten mich, nur leicht, ich ignoriere sie, das muss warten.


"Könnt ihr mal bitte alle still sein jetzt?! Ja ihr alle, die mir sagen wollt wohin ich gehen muss!! Danke ich weiß selbst, wohin mich die Fragmente meiner selbst hinführen! Niemand von euch, von all den Stimmen neben meiner eigenen, kann mich davon abbringen. Keine!!!"


Gerade als ich eine mich nach einer weiteren Stimme umdrehen will um sie zur Rede zu stellen wieso sie mich nicht in Ruhe lässt, sehe ich ein winziges Licht erglimmen. Es ist eine kleine Leuchte, gereicht von einer helfenden Hand. Keine Stimme, die mich in die Irre führen will, sondern reine Hilfe. Ich bedanke mich leise und kurz, nehme die Leuchte in meine Hand und ziehe weiter. Das Licht wird stärker, genährt von Zuversicht und Hoffnung.

Der Atem brennt mir in den Lungen, er sticht wie 1000 heiße Nadeln, bei jedem Atemzug brennen sie sich hinein. Doch ich brauche Luft und ich muss auch weiter  gehen. Es wird schon wieder gehen. Gleich. Gleich. Bald.

Der kegelartige Schein der Leute streift einen Körper, ich erstarre. Herrgott, was ist das denn so laut hier?! Bis ich merke, das es nur das Pochen meines Herzens ist, was alles andere überlagert.

Ich lasse mich auf die Knie sinken. Ist er das? Kann er das sein? Er sieht so anders aus. Ich hatte ihn anders in Erinnerung. Ich lege meine Hand leicht auf seine Schulter, er sitzt erschöpft auf dem Boden, die Beide angewinkelt. Er reagiert nicht.

"Bist du... bist du es?" Er hebt seinen Kopf, sein Blick ist matt, ich erschaudere. "Oh nein... nein... was ist mit dir?" raune ich leise. Als ich die Leuchte abstellen will erhascht ein kleines Glitzern meine Aufmerksamkeit. Die Hände um die angewinkelten Beine geschlungen hält er etwas fest. Da ist es. Es ist es. Er, ist es. Ich will ihm das Stück meiner Seele aus der Hand nehmen, doch er lässt es nicht los.

"Behalte es" sage ich "behalte es, aber wisse, dass du sie nicht fertig bauen musst. Nicht jetzt. Nicht so."

Ich setze mich schräg hinter ihm, lege meine Beine zu seinen Seite auf den kühlen Boden und ziehe ihn zu mir. Er ist stocksteif. Ein kleiner Stich fährt mir durch das Herz. Ich wage nicht es noch einmal zu versuchen ihn zu mir zu ziehen und warte. Nach einer kleinen Ewigkeit lehnt er sich von alleine an mir, seinen Kopf auf meine Schulter. ich schließe meine Augen und könnte zerspringen vor Glück, eine Träne rinnt mir über meine Wange. Ich atme tief ein und aus und fange an uns beide im Takt eines Liedes zu wiegen, dass nur wir beide hören können.

Ich weiß, ich werde in ein paar Stunden am ganzen Körper Schmerzen haben, ich werde steif sein, manche Muskeln werden krampfen wollen, aber was schert mich dass, wenn ich den Hüter meiner Seele in meinen Armen halte?

Und ich weiß, die Laterne wird uns solange Licht spenden, wie uns Hoffnung und Zuversicht nicht verlassen.... meine eigene reicht für uns beide... und wenn sie etwas versiegen sollte, und das Licht leicht erlischt, werde ich dafür weniger sehen, aber mehr spüren, denn sobald ich fühlen kann wie sein Herz wieder schlägt, wie die Kälte aus seinen Gliedern weicht, mich wieder beginnt zu wärmen, wird aus der Laterne eine Nova voller gleißender Helligkeit.... wenn die Zeit kommt, und sie wird kommen....

Zeit,....ach was ist schon Zeit....

Man sieht nur was man sehen will...

Eine beiläufige Berührung so zart und kurz

die all das zeigt, was man wissen muss


... und niemand sieht sie.


Ein Blickkontakt so unsichtbar geführt

der doch am Grund der Seele rührt


... und niemand sieht ihn.


Das Schlagen zweier Herzen, rhythmisch gleich

tosend wie ein Feuermeer, klar wie Eis


... und niemand hört sie.


Kein Wunder, dass bei all der sturen Blindheit

unser schillernder Palast auf ewig ein Zelt bleibt


Doch lebe ich lieber in einem Zelt

das in sich trägt eine prachtvolle Welt


als in einem Palast, der nichts beherbergt

außer Kälte, Kargheit und Distanz


Der gestrichen ist in Gelb und Blei

den Farben von Neid und Heuchelei


Für uns bedeutet es alles, für andere nicht viel

denn man sieht nur das was man sehen will 

Elegie

Mein Herz liegt schwer mir in der Brust

Meine Seele daneben ganz bar und rein


Für nichts und niemanden erhebt sich Lust

Selbst das Einfachste ist lästig, das bloße Sein


Gedanken in meinem Kopf sind ruhig und doch wild

Melodien und Farben, Gefühle und Träume


Aus vergangenen Tagen formt sich ein Bild

Es ging mir nie schlecht, auch heut müsst ichs leugnen


Doch hat dieser Wehmut zwei Eigenschaften

er tut weh, und tut doch gut.


In Anlehnung an:

"Melancholie ist das Vergnügen traurig zu sein" (Victor Hugo)